Alleine Reisen - als junge Frau
- estherbarthuber
- 17. Nov. 2022
- 4 Min. Lesezeit

Vor ein paar Tagen erst sagte ein Freund zu mir: Ich würde wie ein Vogel aussehen, der wieder fliegen kann. Und ja, so fühlt es sich auch an.
Einer meiner größten Werte ist Freiheit. Und gleichzeitig frage ich mich auch immer wieder, was genau Freiheit ist. Ist es die Freiheit, die ich in dem Kulturkreis erleben durfte, in dem ich aufgewachsen bin? Die Freiheit, dass ich eine eigene Meinung haben kann und diese auch äußern darf? Die Freiheit mein Leben selbstbestimmt zu gestalten? Für mich kommt die Freiheit Hand in Hand mit der Unabhängigkeit. Und die beginnt sofort dann, wenn ich meine nötigsten Dinge bei mir habe und los gehe. Ganz egal wohin. Der erste Schritt zählt. Ob es nun nur für eine kurze Zeit ist oder eine längere Reise.
Es ist auch immer wieder die Zeit, bei der ich bei mir selbst ankomme, zu mir komme und mich auf mich besinne. Da gibt es mich und die Welt, in der ich mich bewege. Ich liebe es beispielsweise im Zug oder Bus zu sitzen und die Landschaft draußen vorbei ziehen zu sehen.
Es lässt mich einerseits so klein wirken in dieser großen Welt (besonders wenn ich weite Strecken zurück lege) und andererseits, spüre ich meine Selbstwirksamkeit. Ich entscheide in jedem Moment wo und wie es weiter geht. Ob ich die nächste Straßenkreuzung rechts oder links gehe. In welchen Zug ich einsteige oder welchen Flug ich nehme. Wenn ich alleine Reise kann ich meiner Intuition folgen und meinen Wünschen und Bedürfnissen besser lauschen. Und ich glaube genau diese Stimme ist so wichtig. Ich bewege mich oft zwischen einem Ja und einem Nein. Meistens ist es meine Herzensstimme, der ich lausche und die mich manchmal auf unerklärlicher weise zu wunderschönen Orten und Menschen führt.
In letzter Zeit werde ich wieder vermehrt auf die Sicherheit hingewiesen. Ist es denn sicher alleine als Frau zu reisen? Um es schonmal vorweg zu sagen: ich weiß es nicht. Und kannst Du dir die Frage beantworten, ob du sicher bist wenn du nicht auf Reisen bist? Diese Frage besteht für mich aus zwei Komponenten. So möchte ich sie auseinander nehmen, um sie dann wieder zusammen zu führen. Ist es sicher eine Frau zu sein? Und ist es sicher zu reisen?
Mit Sicherheit wird leider immer noch ein Unterschied zwischen den Geschlechtern gemacht. Manchmal ist er mehr zu spüren und manchmal weniger. Verlasse ich also Deutschland und bewege ich mich beispielsweise in einem anderen Kulturkreis, in dem die Frau eine andere Rolle spielt, nehme ich diese Rolle meist ganz automatisch ein. Denn ich werde eine Frau bleiben und so gesehen werden. Ich passe mich anderen Kulturen an, trage andere Kleider, verhalte mich anders, als ich es gewohnt bin. Und trotzdem ist es oft so, dass ich heraussteche und auffalle. Als alleinreisende Frau. Meiner Erfahrung nach, bin ich bisher als Frau gut behandelt worden, mir wird oft geholfen, wenn ich es brauche. Und ich möchte an der Stelle nochmal ganz klar erwähnen, dass ich hier aus einer sehr privilegierten Sicht schreibe. Denn leider heißt es nicht für jede Frau, dass es unbedenklich ist. Ja, auch für mich nicht. Aber dadurch, dass ich als weiße Europäerin geboren wurde, ist es für mich oft um einiges sicherer.
Wenn ich mich also der Frage widme, ob es sicher ist reisen zu gehen, gehe ich von mir aus. Und gleich kommt bei mir die Frage in den Sinn, was Sicherheit bedeutet. Denn wenn ich mich frage, ob etwas sicher ist, stelle ich mir gleichzeitig auch die Frage ob es gefährlich ist.
Das Leben ist gefährlich, am Schluss werden wir alle diese Erde wieder verlassen müssen.
Dazu möchte ich dir eine kurze Anekdote erzählen. Eine, die mich langfristig beschäftigt hat und mir gleichzeitig auch viele Fragen beantwortete.
Eine zeitlang habe ich in Rosenheim gelebt. Die nächst größere Stadt, wo ich aufgewachsen bin. Zu der Zeit war ich nicht reisen, habe studiert und bin eben meinem täglichen Leben nachgegangen. Auf dem Weg zum Bäcker, keine 5 Meter vor meiner Haustüre - ich stand an der Ampel der viel befahrenen Straße - hörte ich wie aus dem Nichts einen Knall und einen Schrei. Er zerschnitt den Verkehr, das Gerede der Menschen. Mein Herz schlug augenblicklich schneller. Passanten auf der anderen Straßenseite fingen an zu rennen. Jeder wusste: es ist etwas schreckliches passiert. Ein abbiegender LKW erfasste beim Abbiegen einen Passanten. Kurz darauf hörte ich schon Sirenen und Rettungskräfte trafen ein. Ich war unter Schock. Wäre ich nur 3 Sekunden schneller zur Tür raus gegangen - es hätte mich treffen können.
Warum ich das hier schreibe? Weil es für mich keinen Unterschied macht, ob ich zuhause bin oder reisen. Das Leben an sich ist ein Risiko. Allein mit der Entscheidung mich in ein Auto zu setzen, oder eben mit dem Schritt aus der Türe, gehe ich ein Risiko ein. Und manchmal ist das Risiko höher und manchmal niedriger.
Ein Risiko für was? Zu sterben? Oder ein erfülltes Leben zu führen?
Ich gehe jedenfalls das Risiko gerne ein, alleine zu reisen. Was für mich nur heißt, dass ich die Entscheidung treffe, alleine los zu ziehen. Aber wann sind wir schon wirklich alleine? Immer und überall auf dieser Welt treffe ich tolle Menschen, die mich inspirieren und zu Freunden werden.
Und ich habe es bisher zu keinem Zeitpunkt bereut los gegangen zu sein!
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