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Ich bin nicht mehr still

Heute möchte ich hier etwas mit dir teilen, weil ich selbst gerade die Erfahrung mache, dass es gut ist Themen anzusprechen und sie nicht im Verborgenen stehen zu lassen. Und ich möchte an der Stelle aufmerksam machen, dass es um mentale Gewallt sexuelle Belästigung und Mobbing am Arbeitsplatz geht. 

Mittlerweile, während ich das gerade schreibe, habe ich nur noch ein paar Tage und weiß, dass ich nicht mehr lange dort bleiben werde. Aber wo fange ich an?

Ich arbeite seit Juni auf einer Farm in Queensland, Australien. Und meine ersten Gedanken dazu waren: vielleicht könnte es seltsam werden. Ein alleinstehender 40 jähriger Mann führt die Farm. Und das erste, nachdem er in den Anmeldeformularen schaute war das Alter. Ich war nicht hier um zu Daten, ich war hier um zu arbeiten. 

Und das habe ich auch. Tag für Tag. Es ist harte körperliche Arbeit. Aber auch an die hatte sich mein Körper schnell gewöhnt. Und je mehr ich die Arbeit auf dem Feld zu mögen begann, desto weniger konnte ich mich an die Arbeitsatmosphäre gewöhnen. Keinerlei Kommunikation über den Arbeitsablauf, Informationen nicht weiter geben, um möglichst viel Kontrolle zu haben und alles was gesagt wird in Witze verpackt, so dass es für mich keinerlei Orientierung gab. Noch dazu ist es für mich nicht normal von meinem Boss Nachrichten an meinem freien Tag zu bekommen oder „sweet dreams“  nachts. Aber so richtig stutzig wurde ich erst, als ich per Nachricht gefragt wurde, ob ich gerade an ihm vorbei gefahren wäre und zuhause bin. Es war früher Abend und bereits dunkel und ich war gerade nach Hause gekommen. Nachdem es noch einmal passierte war war mir klar, dass er mich beobachtete. Mit billigen Ausreden und als Witz verharmlosend, dachte er es ist alles gut. Aber es wurden mehrmals Grenzen überschritten. Ich wurde des öfteren gefragt, ob ich nicht einen Partner habe, oder ob ich lesbisch sei, als ich keinerlei Interesse zeigte. Leider war ich noch abhängig dort zu arbeiten. Aber innerlich hatte ich mich schon länger verabschiedet. Ich hatte keine Ahnung, wie es wirklich ist, bis ich doch zufällig die Gelegenheit hatte mit einer Kollegin außerhalb der Arbeit zu reden. Denn selbst das versuchte er zu kontrollieren. 4 Monate lang hatte er auf seine Weise unterbunden, dass ich mit Mitarbeitern rede. Endlich konnte ich sehen, dass nicht nur ich es schwer hatte jeden Tag aufs neue in die Arbeit zu gehen und mir die absolut frauenfeindlichen und Alkohol verherrlichende Sprüche anhören zu müssen. Ich kann die Tage an einer Hand abzählen, an denen er nicht schon Morgens um 10 die erste Dose Burben in sich schüttete, als wäre es das normalste auf der Welt. 

Und so hörte ich mich so schnell wie möglich um einen neuen Job um. Und ich hatte Glück.

Eigentlich hatte ich geplant noch das Wochenende zu arbeiten. Es würde sich lohnen, es gibt einen doppelten Stundenlohn. Aber es gab einen Vorfall, der mich dazu veranlasste nicht noch einmal einen Fuß auf diese Farm zu setzen. Dank lieben Menschen, die in der Situation bei mir waren, hatte ich den Mut zu kündigen. Ich fühlte mich nicht mehr alleine, ich hatte es geschafft darüber zu sprechen und bekam dadurch ein Gefühl von Sicherheit.

Nach einigen ermutigenden Gesprächen denke ich darüber nach die ganze Situation bei der Polizei zu melden. Ich denke hier nicht nur an mich, sondern auch an junge Backpackerinnen, die in einer ähnlichen Situation sind und abhängig sind.



Ich habe Grenzen gesetzt, als ich es endlich konnte und nicht mehr abhängig von der Arbeitsstelle war. Und jetzt, im nachhinein kann ich sehen, wie die Letzten Monate voller  Kontrollsucht und Sexismus waren. 

Und trotzdem kann ich sagen, dass es mir gut geht. Ich habe alles dafür getan, die Zeit außerhalb der Arbeit für mich zu nutzen. Alles was ich bisher gelernt habe auch in die Tat umzusetzen. Denn ich weiß, es geht dabei um mich und meine Gesundheit. Sowohl physisch als auch psychisch. Wobei ich immer wieder an genau das denke, was ich hier auf meiner Seite zeige und in meiner Arbeit den Fokus lenke. Es geht darum, sich in erster Linie ganzheitlich um sich selbst zu kümmern. Mit Nahrung, die dich in bester weise nährt, um Bewegung, um alle aufgestauten Emotionen in den Fluss zu bekommen und um Gedankenmuster, die dich tagtäglich begleiten und im besten fall tragen. 

Ich habe mir jeden Tag die Zeit genommen - egal wie lange -  um an den Strand zu gehen. Zu atmen und alles ab zu schütteln, mir eine andere Realität zu schaffen. Meine eigene. Ich habe wieder eine Yogaroutine angefangen, hatte viel Kontakt zu Freunden, die mir zuhörten und mich unterstützen. Tagebuch schreiben, meditieren, mich gesund ernähren und barfuß laufen um mich zu erden, waren an der Tagesordnung. 



Und so schaue ich heute auf eine richtig gute Zeit zurück, auch wenn es unter schlechten Bedingungen stattgefunden hat. 



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